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WEINBAU IM PIEMONT
Das Piemont
ist vor allem als Heimat zweier herausragender Rotweine bekannt, des Barolo
und des Barbaresco. Ersterer wird gern als Wein der Könige und König
der Weine gepriesen, was eine jahrhundertealte Tradition vermuten lässt.
Beide Kultweine entstanden jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
und ihr modernes Erscheinungsbild wurde nicht vor dem Ende der 1970er Jahre
geprägt. Dennoch ist das Piemont eine Region mit sehr langer Weinbaugeschichte.
Der nordwestliche Alpenbogen beeinflusst gemeinsam mit dem Apennin das Klima,
das den Weinbau in nahezu allen Teilen der Region begünstigt, vor allem
aber in der Hügellandschaft der südlichen Hälfte mit den Provinzen
Cuneo, Asti und Alessandria, in den Langhe und im Monferrato.
Der
erste trockene Nebbiolo geht im 19. Jahrhundert auf die Initiative Camillo Cavours,
des als Vaters der Einheit Italiens geehrten Staatsmannes zurück. Für
sein eigenes Weingut in Grinzane bei Alba wie auch für das der Marchesa
Giuletta Faletti von Barolo, einer gebürtigen Französin, engangierte
er um 1850 den französischen Önologen Louis Oudart, damit er einen
trockenen und haltbaren Rotwein nach Bordelaiser Vorbild entwickele. Oudarts
Ergebnis, ein trockener kräftiger Rotwein mit der Herkunftsbezeichnung
Barolo, wurde rasch höchste Anerkennung zuteil, denn der erfolgreiche Politiker
Cavour mit seinen Verbindungen zum Haus Savoyen und zum Adel am Königshof
in Turin verstand es ausgezeichnet, seinen neuen Wein zu lancieren. Schon 1896
gehörte er zu den besten Weinen Italiens. Kurz zuvor war es Domizio Cavazza
auch in Barbaresco gelungen, durch Vergärung des gesamten Mostzuckers einen
trockenen Wein zu erzeugen, der als eigenständige Appellation zeitweise
sogar größeres Ansehen genießen sollte als der berühmte
Barolo. Soviel Prestige vermochte offenbar auch die Rebläuse zu beeindrucken,
die gegen Ende des 19. Jahrhunderts die meisten Rebgärten im Piemont zerstörten,
der Nebbiolo blieb verschont.
Mengenmäßig blieb die Sorte trotz ihres Prestiges unbedeutend. Kaum
drei Prozent der Piemonteser Weine werden heute daraus gekeltert, was nicht
zuletzt an den hohen Ansprüchen liegt, die sie an Klima und Böden
stellt.
Roter
Erfolg Dank Barolo
Der Erfolg des Piemont gründet auf dem Barolo. Einst nur einer kleinen
Schar treuer Liebhaber bekannt, wurde seine modernere, zugänglicher vinifizierte
Version zusammen mit den toskanischen Spitzenweinen weltweit zum Symbol für
die Renaissance des italienischen Qualitätsweinbaus. In seinem Gefolge
erhielten auch andere Weine ihren neuen Glanz, allen voran die Barberas, deren
Reben rund die Hälfte der Weinbergflächen der Region belegen. Aber
auch Dolcetto, Nebiolo d’Alba, Roero und sogar die einst berühmten,
dann aber beinahe in Vergessenheit geratenen Nordpiemonteser Gattinara und Ghemme
erfreuten sich neuer Qualitäten und neuer Märkte.
Barbera
Alba
und Asti
Der Aufstieg von Barbera & co.
Der Nebiolo hat das Prestige des Piemont gehoben, aber getrunken haben die Piemonteser
die Weine der Barbera. Etwa die Hälfte aller Rebflächen der Region
ist damit bestockt. Jahrzehntelang lieferte sie höchste Hektarerträge
– und mit Abstand die schlichtesten Weine.
Mitte der 1980er Jahre stand die Barbera dann im Mittelpunkt des Methanolskandals:
Kriminelle Abfüller hatten billigste Barbera-Weine mit Methylalkohol >veredelt<,
und mehr als 20 Menschen starben. Doch als das Renommee der Rebe kaum noch tiefer
sinken konnte, hatte sich eine Gruppe innovativer, qualitätsorientierter
Winzer der zu Unrecht in Verruf geratenen Sorte bereits angenommen. Säureumwandlung
und Barrique-Ausbau waren die Zauberformeln, mit denen sich die säuerliche,
robuste Traube in würzige, komplexe und lagerungsfähige Weine verwandeln
ließ.
Barbera d’Alba wurde die Parade-DOC der neuen, kräftigen Roten im internationalen Stil. Vor allem dort, wo noch uralte Barbera-Stöcke konzentrierte Trauben trugen, entstanden seit Anfang der 1990er Jahre herrliche, frucht- und gleichzeitig tanninbetonte Weine, deren beste genügend Struktur besitzen, um jahrelang altern zu können.
Barolo
Der
wohl renommierteste, wenngleich nicht populärste italienische Qualitätswein
verdankt seinen Namen einem Städtchen etwa 15 Kilometer südlich von
Alba, in den Hügeln der Langhe gelegen. Selbst in diese an Schlössern
reichen Landschaft ist das imposante Castello mit Trutzburgcharakter, das im
Ortskern über den Dächern thront, recht eindrucksvoll. An klaren Tagen
kann man von dort oben die Gipfel der Alpen in der Ferne aufragen sehen. Im
Herbst dagegen steigt aus dem Tanaro-Tal, das die Langhe vom Roero trennt, der
Nebel, nach dem die beste Rebsorte der Gegend benannt ist.
Das Prestige des Barolo ist der Marchesa Giuletta Faletti und ihrem Önologen
Louis Oudart zu danken, die den Most der Nebbiolo-Trauben erstmals systematisch
durchgären ließen und mit dem trockenen, mächtigen, aber auch
eleganten Wein auf der Stelle das Qualitätspotential beweisen konnten,
das sich an den Hängen der Höhenzüge um Alba verbarg. Als schwierige,
anspruchsvolle Sorte, die im Sommer extrem viel Sonne braucht, hatte der Nebbiolo
schon in den vergangenen Jahrhunderten die besten, nach Süden ausgerichteten
Lage der Gemeinden Barolo, Castiglione Falletto, Serralunga oder Monforte d’Alba
erobert, die gemeinhin als ideales Terroir für die Sorte galten. Die Besonderheit
der Rebsorte und die Lagen, die sie zur Entfaltung brachten, schufen gemeinsam
das, was heute als einer der größten italienischen Rotweine gespriesen
wird.
Nur
wenige Terroirs sind ausgewählt
Überwiegend kalkhaltige Mergel aus dem Tertiär bilden die Unterlage,
auf denen die Nebbiolo-Reben zur Bestform heranreifen. Diese Spitzenlagen sind
auf die Süd- und Südwesthänge dreier Höhenzüge verteilt,
die sich von Alba aus in Richtung Süden erheben. Elf Gemeinden gehören
zum Barolo-Gebiet, und sie alle gemeinsam besitzen kaum 1.300 Hektar Weinbergfläche
– zum Vergleich dazu Bordeaux umfasst 100.000 Hektar -, doch nur fünf
Gemeinden verfügen über die wahren Spitzenlagen. Während Verduno,
Grinzane Cavour, Diano d’Alba, Cherasco, Novello und Roddi nur kleine
Barolo-Flächen ihr Eigen nennen können, konzentriert sich das gesamte
Prestige der Herkunftsbezeichnung in Barolo selbst, in La Morra, Castiglione
Falletto, Serralunga d’Alba.
Tortoniano und Elveziano
Trotz der gemeinsamen Entstehungsgeschichte weisen die Böden innerhalb
des Barolo-Gebiets erhebliche Unterschiede auf. Im Westen, auf den Höhen
von La Morra, Barolo und Novello ist der Kalkmergel kompakter, frischer und
fruchtbarer als im übrigen Gebiet und bringt weichere rundere und elegantere
Weine hervor.
Barbaresco
Wenn Barbaresco bis in die 1960er Jahre im Schatten des Barolo stand, dann war das keine Frage der Qualität, sondern der Käuferschicht: der Barolo wurde gewissermaßen in Adelskreise „hineingeklettert“. Dagegen hatte das Barbaresco –Gebiet,das sich über das gleichnamige Dorf und seine Nachbargemeinden Treiso, Neive und San Rocco Seno d´Elvio erstreckt, mit einem schweren Nachteil zu kämpfen: Unter seinen Winzern gab es weder Könige, Adlige noch Regierungsmitglieder, die dem Wein hätten Impulse geben können.
Ein
eigenständiges Anbaugebiet
Castello di Neive im historischen Zentrum des Dorfes bildet eine Ausnahme (von
dort stammt unser Barbaresco!). Seine Besitzerbeauftragten mit Louis Oudart
jene Önologen, der shcon den trockenen Barolo kreiert hatte, mit der Kellerarbeit.
1862 überzeugten die Weine des Castello eine Londoner Jury, allerdings
zählt neive damals noch nicht zum Anbaugebiet von Barbaresco. Erst 1933
wurden die Lagen mit denen der berühmten Nachbargemeinde zusammengelegt.
Den Anschluss an die Entwicklung des Barolo vollzog dann im letzten Jahrzehnt
des 19. Jahrhundert der Önologe Domizio Cavazza, Direktor der Weinbauschule
in Alba, in dem er auch die Nebbiolo- Trauben aus Barbaresco zu trockenen Rotweinen
vinifizierte. In seiner Funktion als Direktor leistete er beispielhafte, und
seine Produttori del Barbaresco zählen bis heute zu den besten Erzeugern
Apellation.
Die gegenwärtigen Grenzen des Anbaugebiets, auf dem über 500 Hektar
in Ertrag stehen und in dem etwa drei Millionen Flaschen jährlich gefüllt
werden stammen von 1966. Das die neue Apellation den Namen Barbaresco erhielt,
beruhte vor allem auf der Qualität der Trauben seiner besten Lagen wie
Asili und Rebajá. Zur selben Zeit erfuhr der Wein wieder vorsichtig Anerkennung
was Giovanni und dem Weinhändler Bruno Giacosa zu verdanken war. Fast zwei
Jahrzehnte später sollte Angelo Gaja dem Barbarresco zum internationalen
Durchbruch verhelfen.
In dem heutigen DOCG- Gebiet liegen die besten Weinberge in Höhen zwischen
180 und 320 Metern. Diese im Vergleich etwas geringere Höhenlage sorgt
für einige der Unterschiede zwischen Barbaresco- Weinen und dem Barolo.
Das wärmere Mikroklima lässt die Trauben schneller reifen, wodurch
sie den Höhepunkt ihre physiologischen Entwicklung bei geringerem Zuckergehalt
erreichen als der Barolo. Dem trug der Gesetzgeber mit einem um ein halbes Grad
niedrigeren Mindestalkoholgehalt von 12,5 Volumenprozent Rechnung. Andererseits
können die Weinbauern in schwierigen Jahren oft die Trauben ganz oder zumindest
teilweise einbringen,, bevor das Wetter umschlägt, was zu weniger ausgeprägten
Jahrgangsunterschieden führt, als man sie beim Barolo in Kauf nehmen muss.
Die homogenere Bodenbeschaffenheit des Barberesco- Gebietes gleicht mit ihrem
kalkhaltigen Mergelböden dem Tortonian der
Gemeinden La Morra und Barolo. Unterschiede zeigen
sich in der mineralischen Zusammensetzung. Statt Mangan findet man hier mehr
Kupfer und Zink, was zu einem anderem Aromaspektrum führt.
Auch die Barberesco- Winzer erprobten in den 1960er Jahren die Abfüllung
nach Einzellagen, auch hier wurde die Diskussion zwischen Modernisten und Traditionalisten
geführt, allerdings weniger heftig. Auch hier wurden die DOC-Vorschriften
daraufhin geändert und die vorgeschriebene Fasslagerzeit um ein Jahr verkürzt.
Eleganz
und Kraft im Wettstreit
Was dem Barbaresco an Struktur und Kraft gelegentlich zu fehlen scheint, vermag
er durch die Ausgewogenheit von Alkohol, Tanninen und Säure zu kompensieren
sowie durch seine intensiven Aromen, die zu Beginn an Veilchen und frische Beerenfrüchte
erinnern. Die Lebensdauer des Barbaresco wird mit zehn bis fünfzehn Jahren
deutlich niedriger angesetzt als die des Barolo, wobei er den Höhepunkt
seiner Reifeentwicklung schon nach fünf bis zehn Jahren erreichen kann.
Besonders duftig und elegant erweisen sich Weine aus Bereichen mit überdurchschnittlich
warmem und feuchtem Mikroklima. Meist sind dies zum Tanaro hin offene Halbarenen
wie etwa die Lagen Asili und Rabajà in der Gemeinde Barbaresco, die auch
in mittelmäßigen Jahren komplexe, feinfruchtige Weine liefern können.
Dagegen haben sich die besten Gewächse aus Neive (von dort stammt unser
Barbaresco) ihren ausgezeichneten Ruf durch ein hohes Maß an Festigkeit
und Struktur erworben.
Arneis
in Roero und Langhe
Vom Nebbiolo abgesehen, wecken im Hügelland nördlich des Tanaro zwei
regionale Weißweinsorten Interesse. Lange nur zum Verschnitt in Rotweinen
oder als Tafeltrauben verwendet, drohten sie in Vergessenheit zu geraten, hätten
sich nicht einige innovative Weinbauern ihrer angenommen. Heute belegt die Arneis
wieder rund 500 Hektar Weinbergfläche, was sie vor allem den Anstrengungen
der Handelshäuser Bruno Giacosa und Ceretto zu verdanken hat. Auf den Kegelbergen
des Roero und in der Langhe besitzt die Sorte seit 1989 sogar DOC-Status. Beim
Ausbau der Weine haben sich zwei Stilrichtungen entwickelt: entweder eine recht
eindimensionale Fruchtigkeit mit leichtem Mandelgeschmack und milder Säure
oder eine komplexere Linie mit üppigem Duft nach Blüten, Äpfeln,
Pfirsichen oder Nüssen.
Favorita
und Chardonnay
Fast vergessen schien auch die im Roero und in den Langhe heimische Favorita,
hat sie dort doch nahezu vollständig dem Chardonnay weichen müssen
– im gesamten Piemont stehen nicht mehr als 150 Hektar im Ertrag. Sie
ist eng verwandt (oder sogar identisch) mit dem Vermentino Liguriens, dessen
geschmackliche Eigenschaft sie teilt. Dreizehn Erzeuger kultivieren die Sorte
und keltern daraus frische und fruchtige, stets von einer guten Säurestruktur
geprägte Weine.
Die Gunst der Verbraucher hat den Zuwachs des Chardonnay beispiellos gefördert.
Die populäre Rebe belegte dabei vor allem Lagen, die ehedem mit Dolcetto
oder einheimischen weißen Sorten besetzt waren. Inzwischen gehört
Chardonnay in den meisten größeren piemontesischen Weinbaubetrieben
zum Standardsortiment. DOC-Status besitzen seine Weine in den gebietsübergreifenden
Herkunftsbezeichnungen Piemonte und Langhe. Als Prestigewein wird er, dem französischen
und kalifornischen Vorbild folgen, meist im kleinen Eichenholzfass vergoren
und ausgebaut.
Der
Moscato
Wenige Winzer haben sich auf einen Passito aus spät gelesenen, teils rosinierten
Trauben spezialisiert. Ihr Süßwein mit einer Duftfülle nach
Rosen, Veilchen, Melonen und Minze ist so rar wie teuer.